Hallo ihr Lieben,
zum herbstlichen Montag haben wir einen Roman für euch, der sich rund um die Themen Liebe, Familie, Politik und Gewalt dreht: “Fegefeuer” von Sofi Oksanen. „Das Bündel lag an derselben Stelle unter den Hofbirken. Aliide ging näher heran und behielt es im Auge, beobachtete aber zugleich, ob sonst noch jemand zu sehen war. Das Bündel war ein Mädchen. Verdreckt, zerlumpt und ungepflegt, aber doch ein Mädchen. Ein völlig unbekanntes Mädchen“, das sind Zeilen aus dem ersten Kapitel des Romans.
Aliide sieht eben dieses Bündel durchs Fenster. Es liegt in ihrem Garten. Einfach so. Das fremde Mädchen heißt Zara und ist Prostituierte. Sie ist geflohen – vor der brutalen Gewalt ihres Zuhälters Pascha. Aliide nimmt sie mit in ihr Haus und kümmert sich um sie. Sie weiß, was es heißt, solche Gewalt zu erfahren. Es ist das Jahr 1992. Ein Dorf in Estland. Aliide und Zara in einem Haus … sie sind verwandt (aber das erfahren sie erst viel, viel später). Erzählt wird nicht nur von dieser Begegnung – sondern auch rückblickend die beiden Lebensgeschichten, die ihrer Begegnung und damit der Gegenwart näher und näher kommen.
Zara ist noch jung. Sie wollte „schnelles Geld“ verdienen; sie ist abgerutscht. Schlimme Erfahrungen. Aliide ist schon alt. Sie hat die Unterdrückung durch die Russen erlebt; das Leid der Esten unter sowjetischem Imperium. Ihre Schwester Ingel samt Tochter wurden deportiert. Der Mann ihrer Schwester, der Hans heißt, war im Widerstand. Aliide hält ihn in einem Schuppen versteckt. Obwohl sie selbst mit Martin verheiratet ist, der nichts davon weiß, ist Hans ihre heimliche Liebe. Die Polizei „ahnt etwas“ und verhört Aliide regelmäßig; brutale Gewalt.
In wenigen Worten: Eine faszinierende Geschichte, die bedrückt und bewegt! Das zentrale Thema ist tatsächlich die „Gewalt“, die beide Frauen erleben und die sie verbindet … das eine Mal durch das politische System (die Gewalt der Kommunisten), das andere Mal durch das System der Prostitution (die brutale Gewalt der Zuhälter). Die Gewaltszenen sind dabei selten ausformuliert – sie sind den Vorstellungen der Lesenden überlassen; umso härter!
Ein grandioses Buch der jungen finnischen Autorin, das mit sämtlichen Literaturpreisen Finnlands ausgezeichnet wurde; übersetzt wurde es bisher in 25 Sprachen. Wie es endet, möchten wir nicht verraten; überraschend, schockierend, brutal. Unser Buchtipp – ein Ausflug in die Geschichte eines Ost-Landes. Estland. Zarte Gemüter wird das Buch erschüttern. 400 Seiten, 2012 erschienen bei „btb“; lesen, lernen, leiden!